Drei Tage Ruhe hatten die Siegener THW Helfer zwischen dem Einsatz gegen die Fluten an der Elbe und dem Hochwasser vor der eigenen Haustür. Eigentlich war an diesem Mittwoch Abend ein Termin mit der Lokalpresse zum Thema "Hochwasser an der Elbe" angesetzt. Doch schon auf dem Weg zur Unterkunft machte der Himmel über Siegen einen ungewöhnlich dunklen Eindruck. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich den Sprung in die Unterkunft trockenen Fußes und was dann losbrach, hatte Siegen noch nicht gesehen. Innerhalb von wenigen Minuten ergossen sich bis zu 150 Liter Regenwasser pro Quadratmeter Fläche.
Die Kanaldeckel vor der Unterkunft schwebten, dank den Fluten im Kanal, 30 Zentimeter über der Straße. Erste Amtshandlung: Verkehrssicherung. Die drei Helfer, die wegen der Presse anwesend waren, stellten Verkehrsleitkegel auf, damit keine Fahrzeuge in die Kanalöffnungen fahren konnten. Und dann überschlugen sich die Ereignisse.
Auf Anforderung der Feuerwehr Siegen wurde die Fachgruppe FK alarmiert, da das örtliche Funkrelais ausgefallen war. Einsatzauftrag: Mobile Relaisstelle aufbauen. Noch während die Alarmierung der FK lief, kam die Anforderung des gesamten Ortsverbandes. Es wurden dringend Sandsäcke und Pumpen gebraucht. Gleichzeitig löste die Leitstelle alle THW-Melder aus. Leider hatten die Helfer selber Probleme zur Unterkunft zu kommen, da mittlerweile umgestürzte Bäume und vollgelaufene Tunnel den Weg zur Unterkunft versperrten. Die anwesenden Helfer besetzten die Ladebordwand der Fachgruppe Logistik und rückten zum Sandsackfüllen ab. In der Zwischenzeit war auch die FK mit dem Relais unterwegs. In der Stadt bot sich ein Bild, welches stark an Magdeburg und die Elbe erinnerte. Die gesamte Unterstadt stand im Wasser, Bahnhof und Geschäfte hatten Land unter. Der WDR musste seinen Sendebetrieb wegen Wassereinbruch in der Technik während einer Livesendung einstellen. Die örtlichen Feuerwehren waren bereits mit allen verfügbaren Pumpen im Einsatz. Aber auch sie hatten keine Chance den vielen Hilferufen nachzukommen. Die erste Ladung Sandsäcke wurde verteilt und am Sandsackfüllplatz herrschte reges Treiben. Inzwischen waren auch die restlichen Einheiten des THW-Siegen ausgerückt und mit Pumparbeiten beschäftigt. Über den GFB Olpe wurden weiter Kräfte aus den Nachbarortsverbänden angefordert. Die Ortsverbände Bad Berleburg, Waldbröl, Attendorn, Bergneustadt und Olpe unterstützen die Siegener Kräfte mit Großpumpen und Stromversorgung. Weitere Ortsverbände waren voralarmiert. Ein einsturzgefährdeter Pavillon wurde mit dem Radlader der Fachgruppe Räumen des OV Olpe niedergelegt. Insgesamt wurden in dieser Nacht über 300 Einsatzstellen abgearbeitet. Das THW war mit insgesamt 149 Kräften im Einsatz. Der Einsatz ging bis weit in die Nacht. Ein gespenstisches Bild gaben die vielen Einsatzfahrzeuge in der sonst menschenleeren Stadt ab. Der Schaden an Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen wird mit mehreren 100.000 Euro beziffert. Menschen kamen nicht zu Schaden. Aber das sollte noch nicht alles gewesen sein.
Am frühen Vormittag des nächsten Tages wurden die Siegener Einsatzkräfte mit einem Ereignis konfrontiert, welches bis zu diesem Tag noch keiner gesehen hatte. Ca. 1000 m³ Erde war aus einem Hang am Friedhof Kaan Marienborn ins Tal gerutscht. Die Erdmassen rissen 19 Gräber mit in die Tiefe und spülten sie bis in die Vorgärten der angrenzenden Gebäude. Ein Bild der Zerstörung bot sich den Anwohnern. Der Schlamm hatte zwei Häusern bitter zugesetzt. Die Keller war voll von den Erdmassen, die Särge steckten überall verteilt in dem Schlammberg. Gegen 09.00 Uhr wurde ein Fachberater des THW an die Einsatzstelle beordert um Abstützmaßnahmen abzuklären. Diese Maßnahmen wurden jedoch verworfen und so bot der Fachberater Sandsäcke an, um dem immer noch nachströmenden Wasser Herr zu werden. Die Ladebordwand der Fachgruppe Logistik wurde mit den Sandsäcken vom Vortag zur Einsatzstelle geschickt. Im Laufe des Tages kam dann auch noch der Kipper mit 40 Bohlen dazu. Gegen Nachmittag wurde der Einsatzauftrag dann um Beleuchtung und Pumparbeiten erweitert. Eine Gruppe mit GKW und Unimog errichtete ein Staubecken aus Sandsäcken, um das Wasser aus dem Berg zu stauen und dann mit Hilfe von Tauchpumpen abzupumpen. Hierzu mussten aus dem unwegsamen Gelände in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr noch Särge aus der Schadensstelle über Leitern geborgen werden. In der Zwischenzeit wurde der Kipper mit Lichtmast am Ladekran in Stellung gebracht und der 30 kVA Stromerzeuger angeschlossen. Da die Einsatzstelle weiträumig ausgeleuchtet werden musste, wurde ebenfalls eine Lichtgiraffe der Feuerwehr und zusätzlich der Lichtmast des THW Attendorn an die Einsatzstelle gebracht. Die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen aus Bergneustadt und der Ortsverband Bad Berleburg wurden zur Unterstützung und Ablösung angefordert. Der Einsatz zog sich durch die ganze Nacht bis gegen Abend des nächsten Tages hin. Bis dahin konnten alle Leichen geborgen werden. Sie wurden zur Identifizierung in die Gerichtsmedizin gebracht.
Ein Einsatz, bei dem vor allem die Kräfte der Feuerwehr bis an die Grenzen der Belastbarkeit gegangen sind. Eine psychologische Nachbetreuung wurde für alle eingesetzten Kräfte im nachhinein angeboten. Die Verstorbenen wurden einige Tage später erneut bestattet. Für Verwandte und Einsatzkräfte wurde ein Gedenkgottesdienst organisiert.(MP)
© Fotos: THW-Siegen